Me too
Me too, leider.
Schön, dass es Frauen gibt, die noch nie von einem Mann belästigt worden sind. Das meine ich ehrlich, weil ich weiß, wie es sich anfühlt. Nämlich beschissen. Und seit der Kampagne fallen mir all die vielen Geschehnisse ein, die ich viele Jahre verdrängt habe. Offensichtlich nicht erfolgreich genug.
Es gibt auch im richtigen Leben Vorstadtweiber, die sexuelle Annäherungsversuche von Seiten eines Mannes grundsätzlich erfreulich finden und solche als Kompliment und nicht als Belästigung verstehen. Ich überlege jetzt krampfhaft, wie es mir mit 16 gelingen hätte sollen, es erfreulich zu finden, von einem Fremden auf dem Nachhauseweg vom Bahnhof überfallsartig an die Brust und zwischen die Beine gefasst zu werden. Nina Proll schreibt, dass Sie vielleicht einfach nicht attraktiv genug ist, um von einem Mann sexuell belästigt zu werden.
Ich fürchte, der Typ, der mich angefasst hat, hat gar nicht gesehen, wie ich aussehe, von hinten. An meiner atemberaubenden Schönheit wird es also vermutlich nicht gelegen haben.
„Warum hast du nicht geschrien?“, wurde ich gefragt.
Weil ich keinen Ton herausgebracht hab. Nein, ich habe kein Trauma. Aber ich habe Träume. Träume, in denen ich schreien möchte und nicht schreien kann. In denen ich davonlaufen möchte und nicht davonlaufen kann.
Da war der Grieche, der im Auto einfach seinen Schwanz herausgeholt und vor mir gewichst hat, wollte mir bestimmt nur ein Kompliment machen. „Man kann ja einfach Nein sagen“, schreiben Sie, Frau Proll. Da schau her, was für ein grandioser Vorschlag, den werde ich bei Gelegenheit einmal probieren.
Ironie beiseite. Ich hab Nein gesagt, sogar auf griechisch. „Ochi hab ich gebrüllt“, aber das war ihm egal. Sicher, ich hätte aus dem fahrenden Auto springen können, aber das hab ich nicht getan. Ja, es war leichtsinnig, Auto zu stoppen, aber ich wünsche mir, in einer Gesellschaft zu leben, in der man unbehelligt von Saloniki nach Athen kommt.
Solche Situationen haben in Frau Proll höchstens Mitleid hervorgerufen, sagt sie. Sie würde sich schämen, damit hausieren zu gehen. Ich hab mich damals auch geschämt. Aber ich hatte kein Mitleid, ich hatte Scheiß-Angst. Und ich gehe damit hausieren, und zwar nicht, um mich als Opfer darzustellen, denn ich weiß, dass viele, viele Frauen viel Schlimmeres erlebt haben als ich, aber ich will, dass junge Frauen, denen so etwas passiert, sich nicht schuldig fühlen. Sich nicht schämen dafür, dass Männer übergriffig sind.
Schön auch, dass Frau Proll nie so abhängig von einem Job war, dass sie sich so etwas gefallen lassen haben. Ich war abhängig von meinem Job in der Justizanstalt, ich hatte zwei kleine Kinder. Und wusste, dass der Anstaltsleiter mich höchstens belächelt, wenn ich ihm erzähle, dass ein Justizwachebeamter vor mir seelenruhig in seinen Pornos geblättert hat.
Dann waren da die zwei Typen auf der Rolltreppe. Der vor mir hat sich nach hinten und der hinter mir nach vorne gebeugt und mich zwischen ihnen eingeklemmt. Sandwich, haben sie gegrinst. Ich fand das so unlustig, dass ich dem einen eine geknallt hab. Danach ins Gesicht gespuckt zu werden, war für mich kein Zeichen meiner großen sexuellen Anziehungskraft, sondern eklig und demütigend. Hat mir jemand der Umstehenden geholfen? Nein.
Ich habe oft Nein gesagt, aber das Nein wurde nicht gehört. Das lag nicht an mangelnden Hörvermögen, nein. Mein Hornlehrer hatte sogar ein absolutes Gehör. Er fand es schade, dass ich nur ins Waldhorn geblasen habe. Und ein bisserl erkenntlich könnte ich mich doch schon zeigen, für die Karten zu den Philharmonikern.
Ich bin übrigens weder lustlos noch hasse ich Männer ... ich hab sogar einen geheiratet. Nein, die Welt wäre nicht besser ohne Sex, aber sie wäre besser ohne sexuelle Gewalt. Ich glaub ja, die meisten Männer schaffen es sehr wohl. den Unterschied zwischen Komplimenten, Flirten und Übergriffen zu verstehen. Die, die uns trotzdem belästigen, die gegen unseren Willen unsere Grenzen überschreiten, die wollen nicht Sex. Die wollen schon gar keine Erotik, wenn sie Frauen kleinmachen, ohne Zustimmung an intimen Stellen anfassen und als „Sozialfut“ beschimpfen, wie es mir passiert ist. Die wollen Macht.
Liebe junge Frauen, lasst euch nicht entmutigen durch Männer oder Frauen, die euch als lustlose Schnepfen oder humorbefreite Männerhasserinnen bezeichnen, wenn ihr sexuelle Übergriffe, egal ob verbal oder durch Handlungen als das bezeichnet, was sie sind. Sexuelle Gewalt. Auch wenn ihr Bauchnabel zeigt und kurze Röcke tragt, niemand hat das Recht, eure Grenzen zu überschreiten. Macht den Mund auf und schämt euch nicht. Ihr seid nicht schuld, wenn jemand euch Gewalt antut. Niemals.
Im Leben hat sich durch Schweigen noch nie etwas verändert.
Liebe junge – und nicht so junge Männer, wenn ihr den Unterschied zwischen einem Kompliment, einem liebevollen Flirt oder sexuellen Übergriffen nicht kennt, wenn ihr euren Testosteronüberschuss nicht im Griff habt, dann lasst die Sache mit den Frauen einfach. Spielt Disc-Golf oder geht Basejumpen. Und es gibt so schöne Computerspiele, da könnt ihr Planeten erobern anstatt Frauen.
Liebe Männer, wenn ihr wirklich Eier in der Hose habt, dann behandelt ihr Frauen so, wie ihr selbst gern behandelt werden möchtet. Mit Intellekt, Witz und Charme.